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Das auf sozialpolitischem und culturgeschichtlichem
Gebiete an entscheidenden Ereignissen so reiche
achtzehnte Jahrhundert bietet uns für das alte Jülicher
und Limburger Land zwischen Roer, Wurm und Maas in der
gegen die Mitte des genannten Zeitabschnittes
hervortretenden Bande der sogenannten Bockreiter eine
höchst merkwüdige Erscheinung, welche bislang eine
quellenmäßige Darstellung und entsprechende Würdigung
noch nicht gefunden hat. Lezteres mag wohl darin
begründet liegen, daß schon gleich beim Entstehen der
Bande, und noch mehr in der Folgezeit, Aberglaube und
Romantik sich um den Geschicht-lichen Kern der Sache so
fest ansezten, daß es ohne genaue Kenntnis der Lokal-
und Personalquellen unmöglich war, das Dunkel des
Aberglaubens zu lichten und den Schleier der Romantik zu
hebben. Wenn wir es hier versuchen, eine duchaus
quellenmäßige Geschichte der gedachten Bande zu geben,
so berechtigt uns dazu vor Allem der Umstand, daß wir
seit fast zwei Dezennien in der Gegend leben, wo einst
der Schauplatz derselben war, und somit alle Gelegenheit
hatten das erforderliche Quellenmaterial zu einer
aktenmäßigen Geschichte des Bockreitertums zu sammeln
und zu sichten.
Es darf uns gar nicht Wunder nehmen, wenn unter den ...
Orts- und Zeitverhältnisse das Gauner- und Diebeswesen
im Lande "Uebermaas" immer allgemeiner wurde und sich
Schliesslich zu eigentlichen fest organisierten Banden
heranbildete. Ständige hinreichende Polizei, sowie
Militärmacht zur Bekämpfung des Räubervolkes war dort
entweder gar nicht oder nur vorübergehens vorhanden. Die
sogenannten Landesschützen und die geringe Ortspolizei
reichten nicht aus. Das Haubtkontingent zu den
Diebesbanden stellte zwar die einheimische Bevölkerung,
jedoch gesellte sich zu dieser viel fremdes Volk,
herumziehende Gauner und Bettler nebst entlaufenen
Soldaten und arbeitsscheuem Gesindel. Die
fahnenflügtigen Soldaten übernahmen meist die Führung
und Leitung bei den nächtlichen Einbrüchen. Die erste
Bande hatte es zumeist und zunächst im Lande von
Herzogenrath auf die Kirchen und Pfarrhäuser abgesehen.
Erst später griffen die Diebe auch die Wohnungen und das
Eigentum von Privatleuten an.
Was sich nach den noch vorhandenen Handschriftlichen und
gedruckten Quellen als sicher und ausgemacht herausstelt
ist dieses: Die Bockreiter waren gewöhnliche Räuber und
Diebe, welche ihr handwerk mit vieler Verschlagenheit
und großer Grausamkeit nächtlicher Weile betrieben, es
haubtsächlich aud die reiche Leute abgesehen hatten und
ihre schlimmen Tendenzen vor den Augen der Welt zu
verbergen wußten.
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